Verhängt und verstellt
Ich schlich mich an die Maria Entschlafungskathedrale, vor der gerade der Besucherstrom abgerissen, der Bagger zur Seite gefahren und die Sonne eine günstige Position eingenommen hatte, und zückte meinen startbereiten Fotoapparat. Da erschien mit dumpfem Dieselgrollen ein riesiger schwarzer PKW und fuhr genau in die Lücke zwischen Glockenturm und Kathedrale hinein. Die Türen öffneten sich, und völlig unbeschwert traten zwei gut gekleidete Männer heraus und sprachen ernst mit unsichtbaren Personen, die sie anscheinend vor sich sahen. Sie vergaßen nicht, abzusperren, und schritten auf das vornehme Restaurant zu, das einen eigenen Parkplatz gehabt hätte.
Die Fahrzeuge können auch zuweilen weiß sein, mitunter chauffiert von einer blonden, gut manikürten Dame mit Kurzhaarschnitt und Spiegelbrillen, mal haben sie verdunkelte Scheiben, mal keine Kennzeichen. Aber stets halten sie genau in den entscheidenden Sichtachsen der Städte, sei es auf der Fahrbahn, sei es am Gehsteig oder vor einer Einfahrt. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Bonzen und Bosse das seit Jahrhunderten im Blut haben. Mit demselben Gespür für Zusammenhänge haben ihre Väter die Betonbrücke über die Klosterinsel hinweg gebaut oder den Glaspalast neben den Maidan gestellt, sodass dahinter die Michaelskirche verschwindet und allerhöchstens noch die Goldspitzen der inzwischen wieder auferstandenen Heiligtümer in das Stadtzentrum hereinragen. Dass der ganze Maidan alle fünf Meter mit einem Brunnen, einer Glaskuppel, einem Denkmal auf einem Sockel mit Steinbrüstung oder einem Stiegenabgang zur Metro aufgelockert ist, hat ja außer der Bildästhetik vermutlich auch Gründe in der erneuerten Wertschätzung freier Plätze bei der ukrainischen Regierung.
Aber auch vor Theaterbauten und klassizistische Bibliotheken werden im richtigen Abstand Kioske und Bushaltestellen, Imbissbuden und Parklandschaften gestellt, oder zumindest wie auf der Pronzna-Straße, die bergab von repräsentativen Gebäuden gesäumt auf ein Hochhaus im klassizistischen Stil zuläuft und ganzjährig die Behängung der Weihnachtsbeleuchtung durch die Luft spannt. Bei aufmerksamer Betrachtung wird man bemerken, dass es kaum eine Ansicht der Ukraine gibt, auf der nicht Straßenlaternen, Fahrdrähte oder wenigstens Plakatständer zu sehen sind.
Der letzte Beweis für diese nationale Identität aber wird von den Museumspädagogen erbracht. Denn abgesehen von den Glasvitrinen, die immer die Leuchtspots von gegenüber spiegeln, ist jedes größere Objekt von zumindest einem dicken Seil umgeben, besser noch sind andere Objekte davorgestellt wie zum Beispiel beschnitzte Tram vom Dachgerüst eines barocken Hauses neben einem riesigen schwarzen Einbaum, der den ganzen Saal ausfüllt und zumindest aus der Kosakenzeit stammen muss, wenn nicht gar aus der Steinzeit, wie das Steinwerkzeug in der benachbarten Vitrine nahelegt. Die Heimatmuseen stehen in jeder Stadt und erfüllen wichtige patriotische Aufgaben, und gern dürfen Besucher darin fotografieren, sobald sie eine Genehmigung dafür erworben haben.
Die Fahrzeuge können auch zuweilen weiß sein, mitunter chauffiert von einer blonden, gut manikürten Dame mit Kurzhaarschnitt und Spiegelbrillen, mal haben sie verdunkelte Scheiben, mal keine Kennzeichen. Aber stets halten sie genau in den entscheidenden Sichtachsen der Städte, sei es auf der Fahrbahn, sei es am Gehsteig oder vor einer Einfahrt. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Bonzen und Bosse das seit Jahrhunderten im Blut haben. Mit demselben Gespür für Zusammenhänge haben ihre Väter die Betonbrücke über die Klosterinsel hinweg gebaut oder den Glaspalast neben den Maidan gestellt, sodass dahinter die Michaelskirche verschwindet und allerhöchstens noch die Goldspitzen der inzwischen wieder auferstandenen Heiligtümer in das Stadtzentrum hereinragen. Dass der ganze Maidan alle fünf Meter mit einem Brunnen, einer Glaskuppel, einem Denkmal auf einem Sockel mit Steinbrüstung oder einem Stiegenabgang zur Metro aufgelockert ist, hat ja außer der Bildästhetik vermutlich auch Gründe in der erneuerten Wertschätzung freier Plätze bei der ukrainischen Regierung.
Aber auch vor Theaterbauten und klassizistische Bibliotheken werden im richtigen Abstand Kioske und Bushaltestellen, Imbissbuden und Parklandschaften gestellt, oder zumindest wie auf der Pronzna-Straße, die bergab von repräsentativen Gebäuden gesäumt auf ein Hochhaus im klassizistischen Stil zuläuft und ganzjährig die Behängung der Weihnachtsbeleuchtung durch die Luft spannt. Bei aufmerksamer Betrachtung wird man bemerken, dass es kaum eine Ansicht der Ukraine gibt, auf der nicht Straßenlaternen, Fahrdrähte oder wenigstens Plakatständer zu sehen sind.
Der letzte Beweis für diese nationale Identität aber wird von den Museumspädagogen erbracht. Denn abgesehen von den Glasvitrinen, die immer die Leuchtspots von gegenüber spiegeln, ist jedes größere Objekt von zumindest einem dicken Seil umgeben, besser noch sind andere Objekte davorgestellt wie zum Beispiel beschnitzte Tram vom Dachgerüst eines barocken Hauses neben einem riesigen schwarzen Einbaum, der den ganzen Saal ausfüllt und zumindest aus der Kosakenzeit stammen muss, wenn nicht gar aus der Steinzeit, wie das Steinwerkzeug in der benachbarten Vitrine nahelegt. Die Heimatmuseen stehen in jeder Stadt und erfüllen wichtige patriotische Aufgaben, und gern dürfen Besucher darin fotografieren, sobald sie eine Genehmigung dafür erworben haben.
weichensteller - 16. Aug, 16:57