Odessa ist eine richtige Mittelmeerstadt mit einer Mittelmeersonne. Sie liegt bloß am Schwarzen Meer. Sie hat Ansichten vom Meer und Aussichten zum Meer. Vor dem Hafen liegen der Güterbahnhof und breite Auffahrten.
Der Mittelpunkt der Stadt ist eine Treppe, die vom Hafen heraufführt. Dort spielt eine berühmte historische Filmszene mit einem Kinderwagen und viel Gewalt. Die Geschichte ist nicht historisch.
Genauso ist der Gang der Stadt. Er verläuft nicht durch die Straßen, sondern durch die Parks. Die Gehsteige sind mehr begangen als die Straßen befahren, das Tempo ist mäßig, den Gesprächen angepasst. Die meisten Straßen sind Alleen, Lärm und Hitze sind gedämpft. Zwischen den Alleen und den meisten Sehenswürdigkeiten erstrecken sich Parks. Dort schieben Mütter Kinderwagen, tauschen Kinder miteinander Fahrräder und Roller, rasten Familien auf Bänken, führen Männer Geschäftsgespräche am Telefon und trinken Pensionisten Kaffee, der an Kiosken verkauft wird.
Der einzige Ort, wo lautstark gearbeitet wird, und das seit sieben Uhr morgens, ist die Preobratenzkaia, die über die ganze Länge aufgegraben wird mit Lärm und Staub. Die Passanten müssen über Schottergräben klettern und über Holzbrücken turnen, auf denen Bretter fehlen. An der Preobratenzkaia liegt mein Hotel, mein Schlafzimmerfenster verbindet mich mit ihr, sie verbindet mich mit dem Meer. Dem Schwarzen Meer.
weichensteller - 1. Aug, 14:19